In der Filterblase leben, im eigenen Saft schmoren, nicht über den Tellerrand schauen – das gab es schon immer, auch zu Jesu Zeiten. Was das mit Jesus und den ersten Christen zu tun hat, ist das Thema diese Woche.
In den vergangenen Monaten hat man immer wieder mal davon gehört, dass Menschen in einer „Blase“ leben. Gemeint ist, dass Menschen fast immer nur mit denselben Menschen reden und zwar mit denen, die eine ähnliche Meinung wie sie selber haben. Wer in einer Blase lebt, bezieht seine Nachrichten nur aus Quellen, die die eigene Sicht auf die Welt bestätigen. Man schmort sozusagen immer nur „im eigenen Saft“.
Die Filterblase vor 2000 Jahren
Solche „Blasen“ gab es auch vor 2000 Jahren, zur Zeit Jesu. Wie heute war es auch damals schwierig, aus der eigenen „Blase“ auszubrechen. Eine Begegnung mit einem Menschen, der anders ist als man selber, war damals wie heute schwierig.
Von einer solchen Begegnung erzählt uns das Evangelium. Jesus ist mit seinen Jüngern außerhalb von Galiläa unterwegs. Er ist unterwegs in einem Land, in dem die Menschen anders reden, anders leben und auch anders glauben. Es sind Menschen, die nicht zum Volk Israel gehören. Eigentlich will man nichts miteinander zu tun haben. Sicher gab es viele Vorurteile über den jeweils anderen, und zwar auf beiden Seiten. Und doch durchbricht eine Frau die Grenze zu Jesus. Sie bittet ihn um Hilfe für ihre kranke Tochter. Jesus reagiert ungewohnt hart, auf eine Weise, die wir sonst gar nicht von ihm kennen. Er will nichts mit ihr zu tun haben und weist sie ab. Als sie weitermacht und nicht nachlässt, wird er sogar beleidigend. „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden zu essen zu geben.“ „Hunde“ – damit meint Jesus die Bewohner des Landes, in dem er sich aufhält, die Andersgläubigen, und damit auch die Frau. Aber die Frau bleibt hartnäckig, sie zieht sich nicht beleidigt zurück, sie gibt ihm keine Widerworte, sie gibt ihm sogar Recht. Sie sagt: „Selbst die Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ Erst da geht Jesus auf die Frau ein, er lobt ihren Glauben und heilt ihre Tochter.
Ein schwieriges Evangelium
Diese Episode aus dem Evangelium ist für uns schwer zu verstehen. Viele haben sich darüber den Kopf zerbrochen, um eine Erklärung für dieses seltsame Verhalten zu finden. Für Jesus selber war wohl klar, dass seine Sendung erst einmal nur für das Volk Israel gilt. Er sagt: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Jesus scheint also nur eine Ausnahme zu machen, wenn er die Tochter dieser Frau heilt, die ja nicht zum Volk Israel gehört. Aber es ist mehr als nur eine Ausnahme. Denn in dieser Heilung deutet sich etwas an, das erst nach Ostern ganz klar zum Vorschein kommt.
Ostern sprengt alle Blasen
Nach der Auferstehung Jesu beginnt nämlich ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Christen. Und dieser neue Abschnitt ist davon geprägt, dass Grenzen überschritten werden. Nach Ostern erhalten die Jünger von Jesus den Auftrag, hinauszugehen aus ihrer „Blase“. Jesus sagt ihnen: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“. Jesus möchte nicht, dass seine Jünger „im eigenen Saft schmoren“. Es gehört zum Christsein, hinauszugehen und Grenzen zu überqueren – Grenzen zwischen den Ländern und Völkern, Grenzen zwischen den Kulturen, Grenzen zwischen den sozialen Milieus. Das ist auch für uns Christen heute eine Herausforderung. Wie können wir unsere Gemeinde vor Ort heute so gestalten, dass sie nicht zu einer „Blase“ wird, zu einer mehr oder weniger „geschlossenen Gesellschaft“? An dieser Frage hängt unsere Glaubwürdigkeit. Denn als Christen sollen wir der ganzen Welt bezeugen: Gottes Liebe ist grenzenlos.
Autor: Sebastian Büning
Sprecherin: Christina Wilkes