Jesus stirbt am Kreuz, besiegt den Tod und steht wieder auf – sehr emotionslos könnte man die Oster-Ereignisse so zusammenfassen. Sie begegnen uns jedes Jahr aufs Neue. Wie schaffen wir es, diese intensiven Tage jedes Mal wieder intensiv zu erleben? Ein Impuls gegen den Gewöhnungseffekt.
Kommenden Sonntag feiern wir das Fest Palmsonntag und starten damit in die Heilige Woche – auch Karwoche genannt. Nach dem jubelreichen Einzug Jesu in Jerusalem erinnern wir uns am Abend des Gründonnerstags an das letzte Abendmahl. Der Karfreitag steht für das Leiden und Sterben Jesu und hinterlässt Sprachlosigkeit, die am Karsamstag als Tag der Grabesruhe besonderen Ausdruck findet. Die Karwoche findet ihren feierlichen Abschluss in der Feier der Osternacht.
Eine Woche, die einer Achterbahn der Gefühle gleicht – und trotzdem durchlaufen wir alle Jahre wieder diese Woche mit all ihren Höhe- und Tiefpunkten.
Der Gewöhnungseffekt
Haben wir uns dabei aber nicht schon längst irgendwie an die schrecklichen Erzählungen der Passionsgeschichte gewöhnt? Im Vergleich zu den Jüngern Jesu damals wissen wir schließlich, dass es ein Happy End gibt. Eigentlich eine recht komfortable Ausgangsposition, oder? Für die Jünger Jesu ist damals sicherlich erst einmal eine Welt zusammengebrochen und es galt, viele Zweifel zu überwinden und lange Tage des Bangens durchzustehen, bevor schließlich die frohe Botschaft wie ein Lauffeuer die Runde machte, dass all das, was Jesus angekündigt hatte, wahr werden würde.
Wie können wir diese intensiven Tage der Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu heute trotzdem (noch) bewusst wahrnehmen? Was braucht es dazu? Wie können wir aus unserer heutigen bequemen Situation heraus etwas derart Tiefgreifendes nachempfinden, ja vielleicht sogar ein bisschen verstehen?
Im Schmerz spürt man das Leben
Liest man Interviews von Personen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall dem Tod nur knapp entkommen sind, hört man darin oft den Satz: „Seit diesem Ereignis lebe ich jeden Tag viel intensiver.“ Ist es also vielleicht so, dass absolute Freude nur gefühlt werden kann, wenn ich auch schon einmal tiefe Trauer gespürt habe? Es stimmt, dass es beides braucht. Wir können das Licht nur durch die Dunkelheit wertschätzen. Und macht nicht zuletzt das Endliche unser Leben erst lebenswert? Der Schauspieler Lars Eidinger hat das einmal treffend ausgedrückt: „Im Schmerz spürt man das Leben.“
Was wäre denn Ostern ohne Karfreitag? Übertragen auf die Karwoche könnte man sagen: Wir können die Karwoche eigentlich nur als Einheit aus Leiden und Sterben Jesu einerseits und seiner Auferstehung andererseits sehen. Wir brauchen diesen Gegensatz, um zumindest ansatzweise begreifen zu können, was an Ostern eigentlich passiert, was uns Gott an diesem Tag sagen möchte. Erst wenn wir diese Heilige Woche gleichzeitig in ihren Höhen und ihren Tiefen begehen, können wir die wahre Osterfreude spüren und feiern. Nur zusammen macht alles Sinn.
Jedes Jahr ist eine neue Chance
Aus dieser Perspektive ist es eine große Chance, dass wir alle Jahre wieder die Passionsgeschichte so intensiv feiern und dabei auch die unangenehmen Punkte nicht aussparen. Dass wir die Karwoche jedes Jahr so feiern, wie wir sie feiern, eröffnet die Möglichkeit, dass wir uns im Nachempfinden und Verstehen stetig weiterentwickeln.
Autoren: Carolin und Georg Hoffmann
Sprecherin: Carolin Hoffmann