Es ist für viele ein Traum: Ein Haus, ein sicherer Job, Familie mit Kindern. Angekommen sein im Leben und in der Gesellschaft. Doch was, wenn auf einmal ein Ruf ergeht, der stört?
Hast du ein Haus? Oder wünschst du dir eins? Dann bist du oder wirst du mit einem erheblichen Problem konfrontiert: In Deutschland sind in den vergangenen 10 Jahren die Immobilienpreise erheblich angestiegen. Eine Inflation, die das alte bürgerliche Versprechen Lügen straft: Wenn du hart und ehrlich arbeitest, dann kannst du dir mit deiner Familie ein eigenes Haus leisten. Heute geht das nur noch, wenn du entweder wirklich gut verdienst, viel geerbt hast oder bereit bist, dich bis zur Halskrause zu verschulden. Bei vielen ist letzteres der Fall. Und dann zahlst du Jahre bis Jahrzehnte an die Bank, der das Haus nach Schuldenstand im Grunde gehört. In manchen Familien geht einer der Partner überhaupt nur arbeiten, um den Schuldendienst leisten zu können. Aber wir bauen ein Haus ja nicht, um uns den Banken auszuliefern; sondern weil wir einen Ort wollen, der uns gehört, an dem wir uns wohl fühlen können, den wir frei und selbstständig gestalten können. Doch eine solche Heimat zu besitzen kann uns durchaus zu Knechten machen. Das lehnte Jesus für sich ab.
Jesus radikalisiert sich
Welche Konsequenzen das hat, darauf verweist uns der Evangelientext des kommenden Sonntags. „Zu einem anderen (der ihm nachfolgen wollte) sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben! Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes! Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind. Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“
Jesus wirkt hier nicht verständnisvoll. Er macht harte Ansagen. Da wollen Menschen Jesus nachfolgen und kriegen als Antwort auf ihre völlig berechtigten Bitten eine Watsche. „Dann taugst du nicht für das Reich Gottes“, das ist die Botschaft Jesu in diesem Moment. Dabei wollen sie nur die sozialen Standards ihrer Zeit einhalten.
Raus aus der gewohnten Umgebung
Wieso aber legt Jesus auf einmal einen so harten Maßstab an?
Betrachten wir den Kontext der Evangelienstelle, so fällt uns auf, dass Jesus nach Jerusalem hinaufzieht. Er hat sich entschieden, den für ihn relativ sicheren Raum Galiläa zu verlassen und nach Jerusalem zu gehen, zum Showdown mit der Jerusalemer religiösen Elite, mit den Römern; und damit auch der Kreuzigung entgegen. Jesus macht jetzt richtig ernst.
Und damit macht er auch für seine Jünger ernst. So ein bisschen mitlaufen, das reicht jetzt nicht mehr. Denn wer noch in die sozialen Systeme eingebunden und ihnen damit verpflichtet ist, der wird auch durch sie kontrolliert. Jesus weiß: Nachfolge wird nach dem Kreuz für seine Jünger nicht einfacher. Also fängt er an, härtere Maßstäbe anzulegen. Nachfolge meint jetzt den Ausbruch, das Loslassen aus sozialen Bindungen, sich befreien von dem, was einen festhält. Es bedeutet sich einlassen auf Jesus, ihm einen Vertrauensvorschuss geben; denn man weiß noch nicht, was er (mit einem) vorhat.
Nachfolge gerne, aber lieber light
Hand aufs Herz: Das erscheint uns heute doch ein bisschen viel des Guten. Wer will denn schon für Jesus aus seinen etablierten Sozialsystemen ausbrechen und sich radikal auf Nachfolge einlassen?
Zumal: Es erscheint uns ja gar nicht mehr nötig. Wenn wir zu Jesus eine Beziehung haben möchten, dann können wir das in der Sonntagsmesse tun; manche gehen dafür auch nur in den Wald. Es ist ein recht bequemes Christentum, dass die meisten sich leisten.
Als Christ, ja, auch einer, der Beziehung zu Jesus ernst nimmt, stellt sich der daher die Frage: Wie kann ich mein Leben, meine Gewohnheiten, meine Bedürfnisse, aber auch meine Verpflichtungen und Zwänge und die Forderungen, die Jesus an mich hat, gut miteinander verbinden?
Das ist eine verständliche Frage. Die werden sich die Apostel auch gestellt haben in der ersten Phase des Wirkens Jesu. Und die werden sich diejenigen, die mit Jesus mitpilgern wollten, auch gestellt haben. Und es hat durchaus Zeiten gegeben, wo Jesus diese Frage großzügig beantwortet hat. Aber eben auch Zeiten, in denen er härter war, wo der Kompromiss nicht mehr ging.
Du erinnerst dich: Heute, am 20. Juni, ist Pfingsten noch nicht lange her. Und nach Pfingsten ging es bei den Aposteln richtig ab. Da war keine Zeit für „so lala“.
Nachfolge Jesu, darauf kann es innerhalb einer Biografie unterschiedliche Antworten geben. Es gibt Zeiten, wo Nachfolge sich intensiviert, und es gibt Zeiten, wo der Alltag und die sozialen Verpflichtungen stärkeren Platz einnehmen. Das macht es so schwer, den faulen Kompromiss zu umgehen. Ein fauler Kompromiss ist es, wenn die drängenden Anforderungen des Alltags mehr Raum einnehmen, als ihnen zukommt. Weil es einfacher ist, auf den Lautsprecher der sozialen Forderungen zu hören als auf das Flüstern Jesu.
Welchem Primat folgst du?
Ein Beispiel für solche Kompromisse ist der hl. Nikolaus von Flüe. Obwohl er schon als Kind Visionen gehabt haben soll, führte er die ersten Jahrzehnte ein normales Leben. Als wohlhabender Bauer, Ratsherr seines Kantons und Soldat. Erst im Alter von 50 Jahren kam der Umschwung. Sein jüngstes Kind war damals erst 1 Jahr alt. Der älteste Sohn aber schon 20 Jahre; und damit war er in der Lage, das Erbe seines Vaters anzutreten. So zog sich Nikolaus mit dem Einverständnis seiner Frau als Einsiedler in eine Klause in der Nähe seines ehemaligen Hofes zurück. Nikolaus von Flüe ist also nicht einfach von seiner Familie weggelaufen. Er ist dem Ruf Gottes gefolgt, als sich eine Gelegenheit bot und die Zeit reif war.
Dennoch erscheint sein Weg wie eine große, heroische Leistung. Das muss nicht wundern. Denn der Kompromiss des Nikolaus ist von einem klaren Primat gekennzeichnet: Er hielt am Ruf Gottes fest und wartete auf die Möglichkeit, ihm zu folgen.
Häufig ist es bei uns heute anders herum. Wir folgen dem Primat der Anforderungen, die unsere soziale Stellung mit sich bringt. Und in den Räumen, die uns dann noch gelassen werden, schauen wir, wie wir den Ruf Gottes auch noch unterbringen. Bleiben wir beim Haus am Anfang: Wenn du dir ein Zuhause aus Stein gebaut hast, Schulden drauf laufen, dann ist es schwieriger, eine Arbeitsstelle an einem anderen Ort anzunehmen oder das Risiko einzugehen, deinen Beruf zu wechseln. Viele Chancen gehen damit verloren.
Natürlich: Nicht jeder von uns ist zum Eremiten berufen. Oder zum Wandermissionar. Aber sind wir wirklich bereit, uns die Frage nach dem Ruf Jesu so ernsthaft zu stellen, dass wir zu der Erkenntnis kommen könnten: Wir müssen unser Leben ändern, mehr oder weniger radikal. Um dann darauf zu warten, wann es Zeit ist, es zu tun. Geduldig, aber entschlossen; und, wenn das Signal zum Aufbruch an uns ergeht, loszulegen.
Text und Ton: Maximilian Röll
Heute ist mir der Impuls wirklich zu lang