Herzensblicke

Es gibt die Momente, in denen eine Erinnerung wach wird. Es gibt Augenblicke, in denen ich spüre, es gibt da etwas besonderes in meinem Alltag. Es gibt sie, diese besonderen Augenblicke – oder sind es nicht viel mehr Herzensblicke?

Neulich habe ich mit meiner Mutter und meiner Schwester den Dachboden zu Hause aufgeräumt. Unzählige Kisten und Tüten habe ich dabei aufgemacht. Viele Bücher habe ich durchgesehen, eins nach dem andern. Alles musste einzeln in die Hand genommen und durchgeschaut werden. Vieles war inzwischen ohne Wert und landete im Müll – doch ab und zu gab es sie dann doch, diese besonderen Momente: Da tauchte ein Buch, ein Spielzeug oder ein Foto auf, das mich an meine Kindheit erinnert hat – und schon wurde ich wieder zu dem Kind, das auf dem Foto abgebildet war, das erste Worte lesen lernt oder das ganz konzentriert in seiner eigenen Welt mit dem Bagger spielt, den ich gerade nach langer Zeit wieder in meinen Händen halte.

Und es gibt noch so viel mehr Momente, in denen ich mich auf einmal anders fühle, anders als normal. Wenn ich wandern gehe und aufmerksam bin, dann wird mir manchmal bewusst, wie schön Gottes große Schöpfung ist und komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Dann spüre ich etwas in mir, das sonst im Alltag keine große Rolle spielt. Ich bin da, ich bin angekommen, ich hab‘s gefunden.

Den Schatz finden

In solchen Momenten fühle ich mich wie die Menschen im Evangelium, die den Schatz im Acker finden oder auf der Suche nach einer wertvollen Perle sind: Sie gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, sind aufmerksam und auf der Suche – und irgendwann stoßen sie dann auf den Schatz oder finden die Perle.

In der Bibel gibt es viele von solchen suchenden Menschen. Die berühmtesten sind vielleicht die Heiligen Drei Könige, die das kleine Jesuskind suchen. Ein weiterer Sucher der besonderen Art war Salomo. Er war ein Sohn König Davids und vor 3000 Jahren sein Nachfolger als König von Israel. Eines Nachts erscheint ihm Gott in einem Traum und sagt, er dürfe sich etwas von ihm wünschen. Man könnte jetzt erwarten, dass Salomo um militärische Stärke, großen Reichtum und Ansehen bittet, aber sein Wunsch ist schlicht und beeindruckend zugleich: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz.“

Ein hörendes, offenes Herz

Ein hörendes Herz macht nicht an der Oberfläche halt. Ein hörendes Herz ist aufmerksam und versucht, das Gegenüber in seinem ganzen Reichtum zu sehen und in seiner ganzen Tiefe zu verstehen. Und da das Herz der Sitz der Liebe ist, und weil Gott selbst die Liebe ist, so ist ein hörendes Herz ständig in Kontakt mit Gott und aufmerksam auf sein Wort. Das nennen wir Weisheit.

Viele von uns sind jetzt mitten in der Ferien- und Urlaubszeit. Der Alltag ist gerade nicht so drückend vollgepackt und vieles läuft einfach entspannter als sonst. Nehmt euch ein bisschen Zeit und schaut mit Aufmerksamkeit auf euer Leben. Ihr werdet gewiss auf Momente stoßen, in denen Gott euch nah war – dann dankt Gott dafür. Oder geht raus in die Natur, spürt den Boden unter euren Füßen, schaut euch die bunten Blumenwiesen an, hört dem Wind zu und staunt und preist Gott dafür, dass er alles so wunderbar geschaffen hat. Oder versucht mal einem Menschen, dem ihr heute begegnet, eure ganze Aufmerksamkeit zu schenken, ihn ganz wahrzunehmen. Vielleicht fangt ihr an zu erahnen, was es bedeutet und wie schön es ist, mit dem Herzen zu hören.

mit dem Herzen hören
das ist mehr als nur Hören

das ist ein Hören auf dich Gott
das ist ein Hören auf deine Stimme

deine Stimme, die mich anrührt
deine Stimme, die mich berührt
deine Stimme, die mich entscheiden lässt
deine Stimme, die mich handeln lässt

Ja Gott,
gib mir ein hörendes Herz

Gedicht: Ulrike Groß, veröffentlicht auf www.spurensuche.de, mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Sprecher und Autor: Christian Orth OMI

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