Rosen in der Trockensavanne pflegen – das fordert viel Zeit, Mühe und Aufmerksamkeit. Ganz ähnlich ist es, wenn Gemeinschaft gepflegt werden soll. Nur dass es da keine Gießkanne, sondern ganz andere Rituale braucht.
Als ich vor ein paar Jahren als „Missionarin auf Zeit“ in Paraguay war, durfte ich mich um die Rosen kümmern. Das war eine verantwortungsvolle Aufgabe im trockenen Chaco. Die Rosen brauchten viel Zeit, Pflege und einen aufmerksamen Blick für das, was gerade nötig war. Aber als sie blühten, waren sie einfach schön. Ganz ähnlich konnte ich die Gemeinschaft der Schwestern erleben, mit der ich dort gelebt, gebetet und gearbeitet habe. Auch diese Gemeinschaft entfaltete sich, weil die Schwestern viel Zeit und Aufmerksamkeit in die Pflege ihres Miteinanders investierten.
Die Gemeinschaft pflegen
Die jungen Frauen in der paraguayischen Ordensgemeinschaft hatten ein Ritual zur Gemeinschaftspflege, das mich gleichsam faszinierte wie herausforderte: Ungefähr einmal im Monat setzten sie sich zusammen und nach einer Weile des Nachdenkens schrieben sie Dinge über die anderen auf einen Zettel. Es waren über jede Schwester ein paar Sachen, was ihnen an der anderen positiv aufgefallen war in der letzten Zeit und auch ein Aspekt, bei dem sie sich selbst oder anderen schadete. Danach sprachen sie sich offen darüber aus. Es ging zum Beispiel um Dinge im Haushalt, um Unaufmerksamkeit im Gespräch oder um mehr Zeit füreinander, aber auch um Sinn für Humor, Hilfsbereitschaft oder Talente.
Nach einiger Zeit durfte auch ich an diesem Ritual teilnehmen. Das war eine Ehre für mich, weil es mir das Gefühl gab wirklich dazuzugehören. Was für ein Vertrauen! Ich war etwas aufgeregt, als ich vor meinem Zettel saß und mir vorstellte, etwas Negatives laut gegenüber den anderen auszusprechen. Aber dieses Ritual hatte etwas für sich: Es barg die Chance, sich nicht länger im Stillen vor sich hin zu ärgern oder hinter dem Rücken darüber zu reden. Es gab der Betroffenen die Chance, in einer ruhigen Atmosphäre und auf eine gute Weise auf ihre Fehler angesprochen zu werden, manchmal sie überhaupt erst zu bemerken. Als mir persönlich negative Dinge gesagt wurden, musste ich das, ehrlich gesagt, erst einmal sacken lassen, aber man braucht sich in dem Moment nicht verteidigen. Man hörte es sich einfach nur an. Und ich war froh, darum zu wissen. Umso schöner war es, all das Bestärkende zu hören und den anderen zu sagen und dann ihr Lächeln zu sehen.
Verantwortung für einander übernehmen
Wir sind als Geschwister im Glauben füreinander verantwortlich. So sagt es auch Jesus im Matthäusevangelium: „Wenn dein Bruder gesündigt hat, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.“ Durch die Erfahrung in Paraguay klingt für mich das Wort „zurechtweisen“ jetzt ganz anders. Es meint eben nicht, meinem Ärger freien Lauf zu lassen und dabei nur daran zu denken, dass ich mich danach besser fühle, bzw. die anderen sich kleiner fühlen. Im Gegenteil, es geht ja darum, dass sie durch meine Zurechtweisung wachsen, also größer werden.
Es wird ernst
Wie kann das ganz konkret in meinem Leben aussehen? Ich habe vor kurzem meinen Mann gefragt, ob er sich mal in Ruhe mit mir hinsetzen würde und wir einander drei Sachen sagen könnten, die wir aneinander schätzen und eine Sache, die uns stört. Ich bin mir sicher, dass wird die Atmosphäre untereinander verbessern und einen Raum schaffen, dass Gottes Geist in unserer Beziehung Gutes und Schönes bewirken kann. Vielleicht traust auch du dich, das mal auszuprobieren und suchst einen Menschen, der dir nahesteht und dafür bereit ist – eine gute Freundin, den Vater, die Schwester, den Arbeitskollegen…
Wenn ich heute Rosen sehe, dann denke ich manchmal an meine Rosen im Chaco zurück, die so viel Pflege brauchten. Ich erinnere mich dann daran, wie viel mehr noch die Pflege von Gemeinschaft die Mühe wert ist, ja sie ist sogar meine Berufung als Christin.
Autorin und Sprecherin: Eva-Maria Böhm