24 Stunden, das hört sich nach sehr viel an. Doch wenn das Telefon klingelt und die E-Mail-Inbox voll ist, reicht das gefühlt nicht. Was dann?
„Wenn ich doch nur etwas mehr Zeit hätte!“ – Heute ist so ein Tag, da geht mir dieser Gedanke beinahe ständig durch den Kopf.
Das Telefon klingelt ununterbrochen, über WhatsApp kommen jede Menge neue Nachrichten rein und in meinem E-Mail-Postfach da stapeln sich die ungelesenen Nachrichten. Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, jetzt wollen wirklich „alle“ etwas von mir und halten mich von dem ab, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Ich hatte gedacht, heute könnte ich mal in Ruhe am Schreibtisch arbeiten.
Dann ertappe ich mich bei altbekannten Gedanken: „Vielleicht muss ich manches eben doch nochmal auf morgen verschieben“ oder: „Wenn ich keine Pause mache, dann komm ich vielleicht durch“ oder: „Möglicherweise kann ich beim Telefonieren nebenbei noch etwas anderes erledigen“. Aber ich weiß jetzt schon: zufrieden werde ich am Abend nicht sein.
Präsenz
Eigentlich kenne ich ja die Erfahrung, dass kreative Arbeit dann am besten läuft, wenn ich Zeit habe, die Gedanken auch mal schweifen zu lassen. Ich weiß, dass ich den Menschen, die mich anrufen nur gerecht werde, wenn ich mich ganz auf das Gespräch konzentriere. Und mir ist klar, dass ich mich nur dann gut konzentrieren kann, was ich tue, wenn ich genügend Pausen mache.
„Wenn ich doch nur etwas mehr Zeit hätte…“
Ein Satz, den ich schon oft gesagt und auch immer wieder gehört habe.
Aber an Tagen wie heute wird mir auch bewusst, dass die Frage eigentlich eine ganz andere ist. Denn, wenn das Telefon klingelt und das Smartphone neue Nachrichten anzeigt, dann denke ich normalerweise nicht lange drüber nach, sondern lese die Nachricht und antworte direkt darauf, nehme das Gespräch an und lasse alles andere erstmal liegen. Aber ich könnte mich auch anders entscheiden, nicht fragen, ob ich mehr Zeit hätte, sondern mir die Zeit nehmen. Ich könnte das Telefon stumm schalten und das Smartphone mal in die Schublade legen und mir bewusst die Zeit für etwas anderes nehmen.
Rückzug
Dabei bin ich in guter Gesellschaft: im Evangelium wird immer wieder davon berichtet, dass die Menschen Jesus nicht in Ruhe lassen. Sie haben mitbekommen, dass er Menschen heilt, sie von Sünden befreit, Brot und Wein in Überfülle mit ihnen teilt – und darum kommen sie zu ihm, auch abends und bis spät in die Nacht, ja sie folgen ihm sogar dann, wenn er sich in die Einsamkeit zurückzieht.
Jesus nimmt sich trotzdem Zeit für sich, er lässt die Menschen auch mal stehen und setzt andere Prioritäten. Er nimmt sich Zeit für sich und besonders für das Gebet, für seine Beziehung zu Gott, seinem Vater.
Das heißt nicht, dass er gar nicht für die Menschen da ist, im Gegenteil: er weiß genau, dass das eine nicht ohne das andere geht. Für andere da sein, sich auf Gespräche konzentrieren, gut und kreativ arbeiten – das geht nur, wenn ich mir Zeit nehme für das, was ich im Moment tue – und dazwischen Zeit für eine Pause. Genauso wichtig ist es, mir Zeit zu nehmen für die Menschen, die mir wichtig sind – und, daran erinnert Jesus mich heute – für meine Beziehung zu Gott.
Entscheidung
Für diese Woche nehme ich mir das vor: nicht davon zu träumen, dass ich mehr Zeit hätte, sondern mir bewusst Zeit zu nehmen, nicht nur auf das zu reagieren, was auf mich zukommt, sondern mich zu entscheiden. In dieser Woche plane ich bewusst Zeiten ein, in denen ich die Gedanken einfach mal schweifen lasse, Zeiten, in denen ich einfach mal nichts tue, Zeiten, in denen ich auf WhatsApp und E-Mails antworte und ganz bewusst Zeiten für meine Beziehungen und besonders für meine Beziehung zu Gott.
Pater Jens Watteroth