Siebzig Mal sieben Mal

„Das werde ich dir nie verzeihen!“ So einen Satz sagen wir manchmal, wenn wir ziemlich sauer auf jemanden sind. Jesus fordert uns auf, immer jedem und in jeder Situation zu vergeben. Aber ist das wirklich realistisch?

Siebzig Mal sieben Mal

„Das werde ich dir nie verzeihen!“ So einen Satz sagen wir manchmal, wenn wir ziemlich sauer auf jemanden sind. Manchmal gelingt es uns nach einer Zeit, uns wieder mit dem anderen zu versöhnen. In anderen Fällen bleiben die Fronten so verhärtet, dass keine Versöhnung mehr möglich scheint. Und tatsächlich gibt es Fälle, die über unser menschliches Vermögen des Vergebens hinausgehen.

Eine beeindruckende Geschichte kommt aus den USA. Eine weiße Polizeibeamtin hatte ihren 26-jährigen schwarzen Nachbarn erschossen. Sie hatte ihn für einen Eindringling gehalten. Im Gerichtssaal stand der 18-jährige Bruder des Opfers plötzlich auf und fragte die Richterin, ob er die schuldiggesprochene Polizistin umarmen dürfe. Er hätte ihr vergeben. Die Richterin erlaubte es und so umarmte der junge Mann rund eine Minute lang die Mörderin seines Bruders. Sie brach in Tränen aus. Er sagte ihr: „Wenn es Ihnen wirklich leidtut, vergebe ich Ihnen. Und ich weiß, wenn sie zu Gott gehen und ihn fragen, wird er Ihnen auch vergeben. Ich spreche für mich selbst, nicht für meine Familie, aber ich liebe sie wie jeden anderen. Ich werde nicht sagen, dass ich hoffe, dass sie sterben mögen wie mein Bruder. Ich möchte das Beste für Sie. Ich möchte nicht einmal, dass Sie ins Gefängnis gehen.“

Muss ich immer vergeben?

Im Matthäusevangelium fragt Petrus einmal Jesus, wie oft er jemandem vergeben muss, wenn der gegen ihn gesündigt hat – vielleicht bis zu siebenmal? Und Jesu Antwort ist einfach und klar: „Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.“ (Mt 18,22).

Die Zahl sieben wird hier als Symbol benutzt – als Symbol für das Vollkommene. Die Frage, die Petrus stellt, ist also eigentlich: Muss ich wirklich immer vergeben? Und Jesu Antwort ist eine wohlgewählte Übertreibung: Du musst nicht immer vergeben Petrus, sondern immer, überall und jedem, ohne Ausnahme, ohne „wenn und aber“.

Aber die Frage, wie wir das schaffen sollen, ist damit noch nicht beantwortet. Ja, die Geschichte aus den USA ist beeindruckend und ja, irgendwie wissen wir auch, dass Jesus natürlich Recht hat, wenn er uns dazu auffordert immer jedem und in jeder Situation zu vergeben. Aber ist das wirklich realistisch?

Der Anfang ist gemacht

Jesus weiß um diese Problematik und er erzählt Petrus eine Geschichte, die uns verstehen lässt, wie auch uns eine solche Versöhnung gelingen kann. Er erzählt von einem Schuldner, der einen großen Kredit aufgenommen hatte, ihn aber nicht zurückzahlen konnte. Damals war es üblich, den säumigen Schuldner mitsamt seiner Familie ins Gefängnis werfen zu lassen. Daher flehte der Schuldner den Herrn, der ihm den Kredit gegeben hatte, um Gnade an. Dieser hatte Mitleid und erließ dem Mann seine Schulden. Kurze Zeit später trifft der ehemalige Schuldner einen anderen, der ihm selbst vergleichsweise wenig Geld schuldete. Doch anders als sein Herr hat er kein Erbarmen mit seinem Schuldner, sondern lässt ihn all seine Schulden bis auf den letzten Pfennig bezahlen. Als der Herr davon hört, lässt er den Mann mit den erlassenen Schulden rufen und hart bestrafen: Ihm war so viel Mitleid widerfahren und konnte dann doch selbst kein Mitleid zeigen.

Worin liegt nun der Schlüssel zum Verständnis dieser Geschichte? Es ist die Botschaft Jesu, dass Gottes Vergebung keine Grenzen kennt. Gott vergibt immer, jedem und überall. Gott vergibt uns, wirklich. Und weil er uns vergibt, können auch wir vergeben. Der Schlüssel ist unsere Dankbarkeit gegenüber der göttlichen Vergebung. Wer dankbar gegenüber Gottes großer Liebe ist, der kann lernen, so zu handeln wie es der junge Bruder aus den USA gemacht hat. Und eben nicht so unbarmherzig zu sein, wie der Schuldner aus dem Beispiel Jesu.

Wenn wir uns von Gott Vergebung schenken lassen, werden wir fähig sein, auch unserem größten Feind, der Person, die wir am wenigsten mögen, zu vergeben.

Die Arsch-Hoch-Challenge des Tages:

Zu sagen: Heute verzeihen wir jedem alles, das ist eine Riesenaufgabe, wenn wir es ernst nehmen. Vielleicht können wir uns annähern: Lasst uns Gott heute für sein großes Geschenk der Vergebung zu danken. Nimm Dir Zeit für ein Gebet. Danke Ihm für all das Gute, das Er in Deinem Leben gewirkt hat und lass Dich mit seiner Vergebung beschenken. Vielleicht verspürst Du sogar das Bedürfnis wieder einmal zur Beichte zu gehen.

Raus aus den Federn, rein in die Challenge – ist ja schließlich Fastenzeit.

Autor: Fr. André Kulla OMI
Sprecher: Marc Zecchin

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