Loslassen, um im Herzen bewahren zu können

Schnell noch ein Foto machen! Wenn uns etwas Erinnernwertes passiert zücken wir schnell das Smartphone und halten es im Bild fest. Doch: Verlieren wir damit nicht den Augenblick?

Wer hat sich nicht selbst schon einmal dabei ertappt: Wenn irgendwo eine berühmte Persönlichkeit auftritt, zückt man sofort sein Smartphone, um zu filmen oder Fotos zu machen. Ähnlich ist es auch im Urlaub und an Orten, an denen Sehenswürdigkeiten zu bestaunen sind. Die Menschen scheinen mehr damit beschäftigt zu sein, das perfekte Foto zu schießen, anstatt den einmaligen Moment zu genießen. Getreu dem Motto: Wenn es kein Foto davon gibt, dann hat es auch nicht stattgefunden.

 

„Diesen Moment muss ich einfach festhalten.“, denkt sicher dabei so mancher und heutzutage ist genau das ja auch kein Problem mehr. Schließlich sind wir nicht mehr auf eine maximale Anzahl an Fotos auf einem Film beschränkt. Also machen wir lieber gleich ein paar Dutzend Bilder oder filmen einfach drauf los. Kann man später ja wieder löschen. Es ist zur Normalität geworden. Wir haben uns an den Drang gewöhnt, besondere Momente mit unseren Smartphones festhalten zu wollen.

Erleben durch ein Display

Und dennoch sollten wir uns manchmal fragen: Ist es nicht irgendwie seltsam, gerade in außergewöhnlichen Situationen, das Geschehene nicht einfach nur beobachten und erleben zu wollen, sondern lieber in ein kleines Display zu starren? Wieso kümmern wir uns nur noch darum, alles auf Foto oder Film zu haben, anstatt das Geschehene auf uns wirken zu lassen? Queen Elizabeth II. hat einmal kritisiert, dass sie bei öffentlichen Auftritten nur noch in Kameras schaue und nicht mehr in reale Gesichter.

 

Was steckt hinter diesem Phänomen? Ist es die Sorge, dass nachher keiner mehr glaubt, was geschehen ist? Die Angst, das Erlebte zu vergessen? Oder die Angst, dass unser Leben ohne prestigeträchtige und vorzeigbare Erinnerungen in Bedeutungslosigkeit versinkt? Ist nur noch das etwas wert, was wir irgendwo dokumentiert haben?

Loslassen: In die Wiege gelegt

Es ist natürlich nachvollziehbar, dass Menschen Dinge und Erlebnisse festhalten möchten. Wissen wir doch um unsere Endlichkeit. Wir klammern uns lieber an Bilder und Videos anstatt uns auf die Gegenwart und unsere Mitmenschen einzulassen. Vielleicht versuchen wir uns damit vor dem Gedanken zu schützen, dass alles Menschliche auf Erden einmal vergeht, ja zu Staub verfällt?

 

Loslassen können ist jedoch überlebenswichtig. Stellen wir uns einmal vor, eine Mutter würde während der Geburt mitten in den Wehen ihr Kind nicht loslassen können. Oder das Kind seine Mutter. Ihr beider Leben wäre in Gefahr! Vielleicht liegt es also doch „von der Wiege an“ in der Natur von uns Menschen, dass wir auch loslassen können. Eben weil wir es bereits mussten, um auf dieser Welt zu sein.

Maria: Vorbild im Loslassen

Heute endet der Marienmonat Mai. Maria kann uns in vielen Situationen Vorbild sein, so auch im Loslassen. Schon als der Erzengel Gabriel zu ihr kam und ihr verkündete, dass sie einen Sohn gebären werde, sagte sie: Mir geschehe nach deinem Wort. Wohlwissend, dass der Sohn, den sie gebären würde, zu Höherem bestimmt war, lässt Maria los und vertraut.

 

Was wäre, wenn wir einfach mal den Moment genießen? Wissend um die Endlichkeit alles Irdischen nur den Augenblick wahrnehmen, ihn anschließend loslassen, um ihn dann im Herzen bewahren zu können.

Einen Versuch ist es wert, oder?

 

Carolin und Georg Hoffmann

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