Der selige Joseph Gérard und sein Beispiel für uns.
Egal ob im Kino oder bei Netflix – wer kennt sie nicht, die Filme, in denen die Hauptfiguren schier Unmenschliches vollbringen. Ob Superhelden oder Actionstars, das, was uns da auf der Leinwand oder dem heimischen Bildschirm gezeigt wird, ist für normale Menschen unmöglich. Wenn man die Biographie von so manchen Seligen oder Heiligen liest, kann man ähnliche Gedanken haben. Aber anders als Superhelden im Film sind sie ganz normale Menschen ohne übernatürliche Fähigkeiten.
Heilige, egal welcher Epoche der Weltgeschichte, sind Menschen wie wir auch. Allerdings ist ihnen allen eines gemeinsam: Sie haben den Mut gehabt, ihre Berufung zu suchen, also ihren Weg mit Gott. Heilige und Selige sind Menschen, die es mit Gott ernst meinen. Ihre Botschaft, so unterschiedlich die Lebensentwürfe auch sind, ist immer die gleiche: Ein Leben aus dem Glauben ist nicht nur möglich, sondern schön.
Doch so wahr diese Botschaft auch sein mag, sie bedeutet nicht, dass das Leben immer nur leicht und angenehm ist. Der selige Joseph Gérard ist da ein gutes Beispiel.
Auch Scheitern gehört zum Leben
Joseph Gérard begann als 20-Jähriger im Jahr 1851 seine Ausbildung bei den Oblaten. Sein Ausbilder Pater Gustav Richard, er galt als sehr streng, war voll des Lobes, er schreibt über Joseph: „Ein ganz heiliger Mensch (heiliges Kind), er hält sich, bescheiden wie er ist, nicht nur für den Letzten der Novizen, sondern des ganzen Hauses. Welch schöne Seele!“
Joseph sieht sich viel kritischer und er betet darum, besser aus dem Glauben leben zu können. In seinen Aufzeichnungen klingt das so: „O mein Gott, ich bitte dich nur um eines: Gib mir, ich beschwöre dich, den Opfergeist, der der Geist des wahren Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria ist; ja, dass ich ein immerwährendes Opfer bin, das sich zu deiner Ehre für das Heil der Seelen verzehrt. Gib mir Liebe zu meiner guten Mutter … damit ich demütig, abgetötet, liebenswürdig bin.“
Okay, seine Sprache klingt für unsere Ohren sehr ungewohnt und unglaublich pathetisch. Trotzdem können wir heraushören: Hier spricht ein junger Mensch, der ein echter Christ und ein guter Missionar sein will. Sein Wunsch wird erfüllt, soviel sei hier schon verraten, aber einfach und gradlinig wird es nicht.
Im Jahr 1854 reist Joseph Gérard, er ist mittlerweile Diakon, von Frankreich aus nach Natal in Südafrika, wo er zum Priester geweiht wird. Am Anfang arbeitet er in einer Gemeinde von Weißen, dafür muss er Englisch lernen. Gleichzeitig studiert er auch die Sprache der Zulu, denn bei diesem Volk soll er als Missionar arbeiten. Die Arbeit mit den Zulus, die 1855 beginnt, ist schwierig und der Bischof beendet den ersten Missionsversuch gegen den Willen von Pater Gérard. Zurück in der Stadt langweilt sich der junge Missionar. Er will wieder in das Missionsgebiet, doch daraus wird erstmal nichts. Im Jahr 1858 folgt ein neuer Versuch, doch auch jetzt ist es schwierig. Die Zulu wollen sich nicht zum Christentum bekehren. Pater Gérard gibt nicht auf. Seinem Oberen im fernen Frankreich schreibt er damals: „Alles scheint für immer verloren. Die Zulus verschließen sich immer mehr dem Evangelium. Aber ich bin keineswegs entmutigt. Ich bin glücklich über die Aufgabe, die Sie mir zugewiesen haben. Und wenn ich nochmals anzufangen hätte, würde ich mich wieder für dieses Land entscheiden“. Doch die Lage ist verfahren und die Mission bei den Zulus wird nach einem weiteren vergeblichen Anlauf eingestellt.
Auf zu einer neuen Mission
Bischof Allard, der Vorgesetzte von Pater Gerad in Afrika, hatte schon lange eine Missionsreise durch sein Gebiet geplant und er nahm den Oblatenpater mit. Auf dieser Reise kamen sie in das Land der Basotho. Der Häuptling dieses Volkes war offen für die Mission und bot ihnen einen Platz an, an dem sie eine Missionsstation errichten konnten. Zwar gab es auch hier erst Vorbehalte, aber Häuptling Moshoeshoe vertraute den Missionaren. Als die erste Kapelle der Mission am 1. November 1862 eingeweiht wurde, war er anwesend und ergriff am Ende der Feier selber das Wort: „Ich bin zwar noch ein Heide, doch in meinem Herzen bin ich schon ein Christ. Und ich zweifle nicht, dass ihr alle eines Tages die wahre Religion findet, wenn ihr auf die Missionare hört“. An diesem Tag begann die eigentliche Mission des Pater Gérard. Er ritt durch das Land der Basotho, besuchte Arme und Alte, pflegte Kranke und bekehrte Häuptlinge. Wenn er in ein Dorf kam, begrüßten ihn die Menschen mit dem Wort „Lumela“, das bedeutet „Schenk mir dein Vertrauen“. Pater Gérard lebt und arbeitet bis zu seinem Tod im Jahr 1914 bei den Basotho. Es waren Jahre mit Höhen und Tiefen, großen Erfolgen und bitteren Niederlagen, aufgegeben hat er nie. So wurde er zum großen Apostel der Basotho.
Zeugen der Liebe Gottes
Heilige und Selige wie Joseph Gérard sind Zeugen der Liebe Gottes, durch ihr Beispiel geben sie dem Glauben an einen gütigen Gott ein Gesicht. Das ist übrigens eine Aufgabe, die jeder und jede Getaufte hat. Wer getauft ist, ist nicht nur ein kleiner Teil einer großen Religionsgemeinschaft. Er ist Gottes Eigentum, gehört zu ihm, ist sein Sohn, seine Tochter und eingeladen, von diesem Glauben Zeugnis zu geben. Wie so ein idealer Missionar aussehen kann, hat Joseph Gérard einmal so beschrieben: „Er möchte alles mit eigenen Augen sehen, alles mit seinem Herzen kennen, jedem eine Freude mit seiner Anwesenheit machen, er möchte allen alles werden, um alle für Jesus Christus zu gewinnen […] Der Missionar liebt in einer solchen Weise, dass jeder glaubt, er sei der einzige, der von ihm geliebt wird […]. Wir müssen unsere Leute lieben, sie lieben trotz allem und immer. Die Welt gehört dem, der sie am meisten liebt und es beweist“.
Gott fordert keine gesichtslose Schar von Sklaven. Gott hat den Menschen als freies Wesen geschaffen hat. Der, der Gott nachfolgt, hat erkannt, dass Gott ihm etwas zu bieten hat. Dass es dabei nicht um vordergründiges Vergnügen geht, versteht sich von selbst. Die, die mit dem Glauben ernstmachen, leben ein Leben, das nicht unbedingt einfach ist, Joseph Gérard ist nur ein Beispiel dafür. Auch Gläubige, auch Missionare und selbst Heilige erleben Kritik, Anfeindungen und Bedrängnisse. Ihr Leben ist nicht nur schön und einfach, aber es ist ein sinnerfülltes Leben und wer es lebt, darf darauf vertrauen, dass Gott ihn begleitet.
Christoph Heinemann