Ein Blinder, der nach Hilfe ruft. Was können wir von so einem Menschen lernen? Der blinde Bartimäus kann uns Lehrer der Menschlichkeit sein.
Bartimäus, der Sohn des Timäus; ein Mann aus Jericho, der Stadt der Sünde; ein Mann, dessen Vater einen griechischen Namen trägt; ein Mann, der blind ist, sprich: „von Gott verworfen“. Das sind keine guten Voraussetzungen auf der sozialen Leiter der jüdischen Kultur und Religion der damaligen Zeit.
Bartimäus, das ist kein Mann mit einer glänzenden Vergangenheit oder Gegenwart; aber mit der Hoffnung, die ihn zum Schreien bringt. Was soll er auch anderes tun als Schreien? In den Augen der damaligen Gesellschaft ist sein Leben, seine Herkunft, sein Betteln und sein Schreien mitten in einer frommen Wallfahrt nach Jerusalem unpassend, unangebracht, ungeziemend, unmöglich, unredlich … und was es sonst noch so an Un-Wörtern gibt.
Liegen gelassene Menschlichkeit
Er ist eine störende Stimme, die viel Ärger und Anstoß um sich herum erweckt. Aber: dadurch ist er ein wahrhaftiger Lehrer der Menschlichkeit: Für die einen eine Belästigung auf dem Weg der Frommen, für den Evangelisten Markus ein Beispiel, das unsere Menschlichkeit erneut in das Zentrum unseres Glaubensleben stellt.
Oft haben wir unsere Menschlichkeit, unseren inneren Bartimäus irgendwo auf dem Weg liegen gelassen, weil er uns nicht passt, unbequem ist. Wir befahlen ihm zu schweigen, genau wie die Menschen im Evangelium. Er passt einfach nicht zu dem, was wir aus uns und unserem Glauben oft gemacht haben – den Weg der Frommen, Geeigneten, Passenden, Geziemenden und damit auch der Schweigenden. Ein Glaube, der nichts sagt, nicht stört und nichts verändert.
Zurück zur Menschlichkeit
Bartimäus ist ein Lehrer des Glaubens, weil er trotzt aller Un-Wörter, die ihn beschreiben, immer noch Hoffnung in sich hat, die ihn zum Schreien bringt. Ein wahrhaftiger Held seines Schicksals. Das bleibt bei Jesus nicht ohne Folgen. Seine Hoffnung bringt ihn schließlich zum Sehen. Die Hoffnung macht die Augen des Blinden auf.
Wir müssen zu unserer Menschlichkeit wieder zurückfinden. Das heißt: Wirklich alles auf unsere Wallfahrt durch das Leben mitnehmen; unsere eigenen Un-Wörter, mit denen wir uns schwertun, all das, was wir am liebsten auf dem Weg liegen lassen würden. Das alles mit Hoffnung getragen macht uns offen für Wunder in unserem Leben. Manchmal braucht es einen richtigen Schrei um sich unserer pilgernden Menschlichkeit bewusst zu machen und von unserem Scheinleben weg zu kommen.
Zurück zur Erde! Es ist der Kern unseres Lebens und Glaubens. Man wird als Mensch geboren, aber gleichzeitig muss man zum Menschen noch werden. Wir dürfen nicht ignorieren, dass wir keine rein geistigen Lebewesen sind. Daher müssen wir uns mit unseren Grenzen beschäftigen. Eigene Grenzen mit Hoffnung getragen werden zum Eingangstor in das eigene Herz und in die Welt der Wunder. Eigene Grenzen sind keine Hindernisse, sondern Grundbedingungen der Begegnung, mit anderen Menschen und mit Jesus.
Pater Petr Dombek OMI