Johannes und Jakobus waren mutig. Sie hatten einen Wunsch. Sie wollten zur Rechten und Linken Jesu sitzen und haben ihn direkt gefragt. Aber zum Mut gehört auch dazu, einen Preis zu zahlen.
Jemand hat mir mal erzählt: „Wenn du dich irgendwo bewirbst und der Chef fragt, wo du dich in zehn Jahren siehst, dann muss du antworten: ‚Da, wo sie gerade sitzen!‘“ Bis jetzt habe ich mich noch nicht getraut, meinen Chef darauf aufmerksam zu machen, dass ich mal den Chefsessel übernehmen will. Und eigentlich will ich das jetzt gerade eigentlich auch nicht. Irgendwie klingt diese Forderung ein bisschen unverschämt, aber auch mutig.
Die Initiative ergreifen
Die zwei Jünger im Evangelium heute sind auch mutig: Rechts und Links wollen sie neben Jesus in seinem Reich sitzen. Also da, wo sonst Prinzen sitzen oder wichtige Beamte. Und sie wählen da augenscheinlich einen einfachen Weg: Jesus wird direkt drauf angesprochen. Das beeindruckt schon: Die beiden werden gewusst haben, dass die anderen Jünger sich über so eine Initiative der beiden ärgern würden.
Solche Situationen sind sicherlich für keinen von uns unbekannt. Ich denke da sofort an den Sportunterricht: Wenn zwei Schüler sich ein Team zusammenstellen mussten und abwechselnd ihre Klassenkameraden aufgerufen haben, dann wollte jeder irgendwie der erste sein, der von ihnen aufgerufen wird. Oder es geht das Einkaufswagenrennen los, sobald es durch den Supermarkt schallt: „Es öffnet Kasse 3“. Jeder will der oder die Erste an Kasse 3 sein.
Vorne stehen
Es gibt da anscheinend etwas im Menschen, das uns sagt: Da vorne spielt die Musik. Da musst du hin. Da bist du wichtig und das wird gut sein für dein Leben.
Und da ist ja auch was Wahres dran: Wer im Job aufsteigt, der verdient mehr Geld, der ist unabhängiger, der genießt vielleicht auch ein gewisses Prestige; auf jeden Fall kann er sich Dinge erlauben, die andere sich nicht erlauben können. Wer Links und Rechts von Jesus in seinem Reich sitzen darf, der kann seine Herrlichkeit genießen, seine Nähe – der kommt seiner Liebe ganz nah.
Das ist alles absolut verständlich und nachvollziehbar. Wer will nicht ein finanziell abgesichertes Leben führen? Wer will nicht ganz nah bei Jesus sein?
Diener aller sein
Doch alles hat seinen Preis: Im Job muss man sich hocharbeiten, manchmal vielleicht die Ellenbogen ausfahren und ab und zu auch ein bisschen unverschämt sein. Und dazu braucht man nicht selten noch eine Portion Glück. Auf jeden Fall ist das viel Arbeit.
Bei Jesus klingt das nicht anders: Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt.
Es gibt in der Kirche eine Bezeichnung für die Menschen, die Jesus „groß“ oder „Erste“ nennen würde: Das sind die „Heiligen“. Heilige, das sind keine moralisch perfekten Tugendwächter. Das sind keine abgehobenen und weltfremden Entrückten. Heilige, das sind Menschen wie du und ich, die aus ihrem Leben einen Dienst gemacht haben für Gott und für die Menschen um sie herum. Und zur Heiligkeit berufen sind nicht nur einige wenige Auserwählte, sondern jeder und jede von uns. Auch die beiden Jünger im Evangelium gehören dazu.
Weg der Heiligkeit
Schaut doch mal in der kommenden Woche, wo ihr auf diesem „Weg der Heiligkeit“ steht und wo ihr merkt: Hey, da geht noch ein bisschen mehr. Und versucht es konkret werden zu lassen: Vielleicht kannst du deiner Frau oder deinem Mann bewusst bei der Arbeit im Haushalt helfen. Oder der alten Dame, die nicht an das Gemüse in der hintersten Regalreihe kommt. Oder du achtest darauf, in deiner Stadt aktiv etwas für die Umwelt zu tun: So wenig wie möglich das Auto zu benutzen, so viel wie möglich unverpackte Lebensmittel zu kaufen und und und…
Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Probier’s aus. …dann bist du ganz vorne mit dabei!
Christian Orth