Freude in Fülle

Wann hast du dich das letzte Mal so richtig gefreut? Also so wirklich richtig? Nicht einfach nur oberflächlich, sondern so ganz tief, im Herzen?

Eigentlich gibt es im Leben immer wieder Situationen, in denen man sich freuen kann. Das kann ein unerwartetes Telefonat mit einer Person sein, von der man schon lange nichts mehr gehört hat. Oder man findet auf offener Straße 2 Euro – allein das bringt schon Freude. Aber wenn man dann direkt in die Eisdiele geht und das gefundene Geld gegen ein leckeres und erfrischendes Eis eintauscht, ist das vielleicht eine noch größere Freude. Oder man erwischt im Stadtverkehr gerade eine grüne Welle und im Radio wird auch noch das Lieblingslied gespielt. Das sind einfach super Momente und wie kleine (oder auch größere) Geschenke im Alltag.

Aber Freude in Fülle? Das ist vielleicht dann doch noch etwas anderes. Wenn man in den Armen eines Freundes oder eine Freundin liegt, den oder die man einfach nur von Herzen gern hat, dann ist das glaub ich Freude in Fülle. Oder wenn das eigene Kind anfängt zu laufen, Mama und Papa sagt oder sanft im Arm schlummert. Und manchmal passiert das auch draußen in der Natur, wenn man allein auf einer Blumenwiese unter blauem Himmel sitzt, und man einfach so erfüllt wird von einer tiefen Gewissheit, von Gott geliebt zu sein.

Echte Liebe

Freude ist wahnsinnig vielfältig und überraschend, und hinter jeder Ecke wartet sie auf uns. Aber diese tiefe Freude, die Freude in Fülle, von der Jesus redet, die ist etwas Heiliges. Die ist irgendwie reserviert für besondere Momente im Leben. Freude in Fülle setzt echte, bedingungslose Liebe voraus und diese Liebe braucht und sucht immer den Andern – deswegen kann man diese Freude auch nicht alleine empfinden. Ob die Freundin oder der Freund, das eigene Kind oder das Bewusstsein, dass Gott gerade so ganz da ist: Freude in Fülle braucht Gemeinschaft, braucht das Gegenüber, dass sich mitfreut.

Eins-heit

Jesus wünscht sich genau das für uns: Wir sollen Gemeinschaft sein, sollen eins sein wie der Vater, der Heilige Geist und er selbst eins sind. Diese Einheit bedeutet aber keine Einheitlichkeit oder Gleichförmigkeit, keine Uniformität, kein schlichtes Kopieren des Anderen. Wir sind oft versucht den andern nach dem zu beurteilen, was für uns wichtig ist und dementsprechend seine Gemeinschaft zu suchen oder zu meiden. Aber darum geht es dabei nicht. Diese Einheit, die Jesus sich für uns wünscht, muss vielmehr eine Eins-heit sein. Die Dreieinigkeit ist schon etwas ziemlich kompliziertes, aber die Lesung aus dem Johannesbrief bringt es wunderbar auf den Punkt, wie wir uns die Dreieinigkeit vorstellen können: Gott ist die Liebe. Und in der Liebe wird das Gegenüber nicht so gemacht und umgestaltet, wie man es sich wünscht, sondern es wird liebevoll angenommen, wie es eben ist. Eins-heit ist vielfältig und überraschend, immer wieder neu, immer wieder anders. Und genau so bunt, so überraschend, so neu und anders ist auch die Freude, die diese Eins-heit in uns hervorruft.

Geteilte Liebe ist doppelte Freude

Vielleicht kennt ihr die berühmte Dreifaltigkeitsikone von Rublev: Um einen Tisch herum sitzen drei Engel. Wenn man sich den Tisch genauer anschaut, dann ist unter der Schale auf dem Tisch eine kleine, viereckige Aussparung. Wissenschaftler haben dort Reste von Klebstoffen gefunden und meinen, dass dort früher mal ein kleiner Spiegel eingesetzt war. Wer vor der Ikone stand, der saß also quasi bei Gott mit am Tisch. Gott ist zwar allmächtig, er braucht eigentlich nichts und genügt sich selbst – und doch freut er sich so unbändig über unsere Liebe zu ihm und unsere Gemeinschaft mit ihm.

Vielleicht nehmen wir uns in den nächsten Tagen mal ein bisschen mehr Zeit, die Menschen um uns herum einfach nur zu lieben, die Gemeinschaft mit ihnen zu suchen, uns an ihren Tisch zu setzen – und sich dann mit ihnen zu freuen. Geteilte Liebe ist doppelte Freude, eben Freude in Fülle.

Frater Christian Orth OMI

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