Die Propheten gehören zu den beeindruckendsten Gestalten der Bibel. Und wie damals stören sie auch noch heute.
Wer oder was ist ein Prophet? Die Antwort scheint leicht: Ein Mann, der eine Botschaft Gottes verkündet. Das ist der Auftrag der Propheten und deshalb spricht Gott zum Beispiel zum Propheten Jeremia: „Tritt vor die Völker und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage!“ (Jer 1, 17)
Besonders im Alten Testament gibt es sehr viele Erzählungen von solchen sogenannten Propheten-Berufungen. Vielleicht neigen wir deshalb dazu, anzunehmen, dass Propheten ganz besondere Menschen sind, denen es scheinbar leichter fällt zu glauben. Sie erscheinen uns oft als Menschen, die mit Gott in tiefer Verbindung stehen und mit großer Überzeugung von ihm sprechen. So scheinen sie alle Zweifel an Gott und am Glauben längst überwunden zu haben. Sie haben ja schließlich ihre Berufung von Gott erhalten und sind ihm auf irgendeine Weise begegnet.
Leben im Widerspruch
Aber das ist weit gefehlt. Selbst Elija, einer der größten Propheten im Alten Testament, zweifelt irgendwann an sich und seinem Auftrag. Er sieht keinen Sinn mehr in seiner Tätigkeit. Ihm fehlt die Kraft, weiter zu machen (vgl. 1 Kön 19).
Wir erkennen also, dass Propheten auch nur Menschen sind. Darüber hinaus müssen sie oft eine Botschaft Gottes überbringen, die Menschen auffordert, ihr Handeln zu ändern oder zumindest zu überdenken. Da ist Widerspruch vorprogrammiert. Ein Prophet erntet nicht nur Beifall. Wer könnte es ihm da verdenken, irgendwann einmal müde zu werden?
Widerspruch zu erfahren gilt aber nicht nur für Propheten. Das gilt sogar für Gott selbst: Auch Jesus, dem Sohn Gottes, fällt es nicht immer leicht, die Botschaft Gottes unter die Menschen zu bringen. „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt“, so muss er feststellen (Lk 4, 24).
Die Leute von Nazareth tun sich schwer, Jesus als Boten Gottes zu sehen, weil sie ihn kennen. Weil er ja einer von ihnen ist. Warum soll ausgerechnet er, den sie schon viele Jahre kennen, jemand besonderes sein? Ja, wenn man solch ein Bild von einem Propheten hat, dann fällt es schwer, den wahren Propheten zu glauben. Und das können auch die Menschen sein, die schon lange neben uns leben.
Herausfordernde Worte
Aber letztendlich müssen wir sagen, dass es nicht der Prophet selbst ist, der uns Schwierigkeiten bereitet. Es ist vielmehr seine Botschaft: Das Wort Gottes fordert uns auf, uns in Bewegung zu setzen, etwas zu verändern. Es fordert uns heraus. Das Wort Gottes will keine einfachen Lösungen bringen. Ein Prophet bringt keine Sicherheit, sondern unbequeme Nachricht: eine Nachricht, die uns nicht bequem im Sessel sitzen lässt. Ein Prophet liefert oftmals keine Lösung auf Probleme, sondern fordert uns heraus, selbst danach zu suchen. Aber nicht alleine, sondern mit Gott an unserer Seite.
Glaube ist schließlich kein angenehmes Hobby und keine Entspannungs-Therapie. Glaube bleibt herausfordernd. Gott zaubert nicht alle Probleme aus der Welt, sondern schenkt ihr Propheten. Gott möchte in dieser Welt wirken, auch heute noch. Als Christen sind wir dazu aufgerufen, den Propheten von heute Glauben zu schenken. Und mehr noch: Wir sollen selber Propheten sein. Christen sollen Menschen sein, die von der Botschaft Gottes berührt sind und diese weitergeben wollen. Um heute prophetisch zu leben, muss ich mein Leben aber nicht komplett umkrempeln. Ich muss dazu kein anderer Mensch werden. Ich muss aber bereit sein von Gott und seiner Gegenwart in dieser Welt Zeugnis zu geben.
Wo bist du ein Prophet?
Alle Christen werden in der Taufe zu Propheten. Die Taufe schenkt uns somit nicht nur eine Tiefe Beziehung zu Gott, sondern befähigt uns auch, von dem Zeugnis zu geben, was wir im Glauben erfahren. Sie fordert uns dazu auf, Gottes Wirken in unserem Leben immer wieder neu auf die Spur zu kommen und anderen zu helfen, das gleiche zu tun.
Prophet sein heißt dabei aber nicht, alle Zweifel besiegt oder Gott abschließend verstanden zu haben. Prophet sein heißt, Gott zu lieben und seine Botschaft ernst zu nehmen. Prophet sein heißt, sich bewusst zu machen, dass die Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit so bedeutend ist, dass sie auf jeden Fall unter die Leute gebracht werden muss.
P. Patrick Vey OMI